Sagenhaft archaisch anmutendes Schottland

Schottland Tour // Teil 2 – Schottlands Süden



Floors Castle
Floors Castle

Es heißt immer Träume wären blau. In diesem Sommer, obendrein ein Jahrhundertsommer (sogar in Großbritannien bis hoch in den Norden) lerne ich grün gewordene Träume kennen. Grün in allen Schattierungen, je nachdem wie das Licht einfällt, die Wolken dramatisch den Himmel verschleiern oder Regen die Sicht vertrübt und alles Grün dann verschattet vor einem liegt. Doch wie das Licht und das Wetter auch sein mag – so weit das Auge reicht schmiegen sich wuschelige Grashügel weich in die Landschaft hinein. Teilweise bestückt mit bunten Sommerblumen und weißen Federbüscheln. Auf vielen Feldern und Wiesen grasen idyllisch die typischen gestreiften Kühe oder zottelige Hochland Rinder und vor allem Schafe und nochmals Schafe. Im Hochmoor ist zuweilen Vorsicht ratsam, wenn man nicht bis zum Knöchel oder noch tiefer in den Morast einsinken will.

Panorama mit den für hier typischen gestreiften Kühen

Mitten in der bezaubernden Landschaft taucht immer mal ein verlassenes Schloss, eine Burg, eine Abbey auf, meistens in exponierter Lage, so dass man schon von weitem die vor Aberjahrhunderten dort hausenden Gespenster erahnen kann. Und wer weiß, vielleicht weilen sie sogar heute noch in den Gemäuern, die teils verlassen und teils noch (oder wieder) bewohnbar sind.

Abbotsford House
…nichts als Gespenster

Nachdem wir vom Osten Englands kommend in Carlise die Grenze nach Schottland passieren, gehen wir erst mal in einem der gut sortierten Bauernmärkte unsere Vorräte auffüllen. Es ist immer ein gutes Gefühl einen Bus voll Essen und Trinken dabei zu haben. Frisch „betankt“ geht die Reise dann nach Dumfries weiter.


Der Südwesten

Glenkiln Sculptures

Bei Dumfries ist Anfang der 50er Jahre zusammen mit Henry Moore der Glenkiln-Skulpturenpark angelegt worden. Werke von Moore, Auguste Rodin und Jacob Epstein waren dort weitläufig über die Landschaft verteilt ausgestellt. Nach meinen Recherchen mussten aufgrund des Diebstahls einer Skulptur die anderen aus Sicherheitsgründen entfernt werden.
So finden wir leider nur noch eine Replika von Moores Werk Two Piece Reclining Figure No.1 
Von Rodins John the Baptist können wir die Stelle am Ende des Sees ausfindig machen, wo einst die Figur gestanden hat. Immerhin – der Sockel steht noch. Echt schade, dass der Park abgeräumt wurde.

Two Piece Reclyning Figur No.1 - Henry Moore
Replika von Henry Moores Skulptur Two Piece Reclining Figure No.1

Dennoch lohnt es sich die Gegend zu besuchen. Ein traumhaft schönes Plätzchen das zum rasten und spazierengehen einlädt.

Glenkin Skulpturenpark
Das Gelände des Glenkiln Skulpturenparks
An diesem See im Glenkiln Park stand einmal die Skulptur von Johannes dem Täufer
Landschaft um Dumfries
Zwischen Morrinton und Speddoch
Landschaft um Dumfries
Weitläufiges Gelände um den Skulpturenpark
Landschaft um Dumfries
Dumfries´ Umland

Kirkcudbright

In dem malerischen Ort am Fluss Dee wollen wir auf dem Campsite über den Dächern der bunten Cottages übernachten. Leider kommen wir erst nach 6 p.m. an und der Platz ist schon abgeriegelt. Unser Klingeln an der Rezeption wird zur Dauerschleife und niemand erscheint, um uns Spätankommer noch einzulassen. Wir bedauern es im ersten Moment sehr, weil wir uns schon ausgemalt haben, wie der Tag hier ausklingen könnte. Dann fahren wir weiter. Durch den Ort, über den Fluss und in Richtung Meer. Wir haben Glück, der Platz etwas außerhalb des Ortes ist ein echter Geheimtipp. An der Rezeption ein Schild mit der Telefonnummer unter der wir den Platzwart erreichen können. Fünf Minuten später ist er da und wir checken ein im Seaward Caravan Park.

Kirkcudbright
Badehäuschen in Kirkcudbright

Nach einer ruhigen Nacht erkunden wir am nächsten Tag Kirkcudbright. Einen Namen macht sich der lebendige Ort auch durch seine hier ansäßige Kunstszene. Wir schauen in zahlreiche Galerien und Shops und finden schließlich unser Café, wo wir es uns gemütlich machen bevor es weitergeht.

Wigtown – die Bücherstadt

Digitale Medien in aller Ehre. Aber das Gefühl, ab und zu ein richtiges Buch in der Hand zu halten, das ist einfach unersetzlich. Ein Buch das man anschauen, fühlen, riechen kann. Es sind gleich viel mehr Sinne die da angesprochen werden. Deshalb – als Buchliebhaber kommen wir an diesem schmucken Ort nicht vorbei. Gutsortierte Buchläden und Antiquariate reihen sich in der Scotland´s National Book Town dicht aneinander. Wie eine riesengroße Bibliothek, nur verteilt auf verschiedene Häuser. Wir stöbern uns durch die Geschäfte und finden erlesene Schätze für wenig Geld. Romane, Krimis, Heimatbücher, Bildbände. Kleine Gedichtbände en masse, wie z. B. von dem schottischen Dichter Robert Burns oder dem britischen Poeten William Blake. Für 95P kann ich Songs of Innocence and Songs of Experience erstehen. Das wiegt nicht viel und ist eine schöne Erinnerung.


A fallen little bird

Mein Lieblingserlebnis in dieser Stadt aber ist ein kleiner Vogel, der vom Himmel gefallen ist und auf der Windschutzscheibe unseres zum Glück stehenden Fahrzeugs herunterrutscht. Ich kann ihn mit einem Prospekt bergen und ich setze ihn auf eine Mauer in der Hoffnung, dass die Vogelmami ihn dort findet. Eine vorbeigehende Dame schaut sich das kleine fluffige Federknäuel an und freut sich mit uns über die gelungene Rettungsaktion.

Rettung des kleines Piepmatzes

Isle of Whithorn

Eldorado für Camper, so der erste Gedanke bei der Ankunft. Und für uns der südlichste Punkt unserer Reise durch Südschottland, bevor es am nächsten Tag etwas weiter ins Land hineingeht, zum Galloway Forest Park.

St. Ninian´s Chapel
Jachthafen von Isle of Whithorn
Campsite direkt am Meer

Der Parkplatz am Meer ist zwar zum kostenlosen Campsite umfunktioniert, dafür gibt es aber auch nur eine kleine Anzahl von Stellplätzen und nur eine Toilette. Diese wird täglich gereinigt (zumindest in der Hauptsaison). Es gibt keine Duschen.
Ein weiterer Wehrmutstropfen an diesem Platz ist, dass die kleine Bucht davor auch Freizeitsportler anlockt, die auf ihren Jetskis Lärm für eine ganze Autobahn machen. Außerhalb der Saison könnte man mehr Glück haben und einen ruhigen Ort zum längeren Verweilen hier antreffen.

Galloway Forest

Galloway Forest Park – It´s great Outdoors!

Endlich – wandern! Hier sammeln wir erste Eindrücke zur Einstimmung auf das schottische Hochland und vertreten uns ausgiebig die Füße. Es gibt verschiedene Trails, die in der Info am (gebührenpflichtigen) Parkplatz ausliegen. Alle Routen sind farbig markiert und gut ausgeschildert. Mit ausreichend Wasser, Moskitoschutz, Sonnencreme, Kopfbedeckung, Regenjacke und kleinen Snacks im Rucksack geht´s los. Unser Weg führt weitläufig um Loch Trool (schottische Seen heißen Loch), teilweise durch einen Wald und ein Stück eine wenig befahrene Straße entlang. Das Wetter wechselt innerhalb von Minuten von heiß auf kühl und von sonnig auf schattig bis regnerisch. Bis auf die Snacks kommt alles zum Einsatz. Gegessen wird zum Abschluß vor dem Cali neben dem Parkplatz und zum Nachtisch gibt es in dem kleinen Café am Parkplatz Eis und Kaffee.

Culzean Castle

Wir machen uns auf den Weg zurück ans Meer. Unser nächstes Ziel vor Augen ist Glasgow. Der Weg dorthin voller Überraschungen. Nach ungefähr 30 Meilen sehen wir von weitem das Meer. Wir werden nach Westen fahrend stark von der Sonne geblendet und doch stutze ich einen Moment. Was ist es, das sich etwa 15 Meilen weit draußen vor Ayr aus dem Meer erhebt wie der Ayers Rock in den Outbacks Australiens? Wie verrückt suche ich auf der Karte nach dieser Erscheinung und stelle fest, dass dieses Etwas auch noch ähnlich heißt. Vor uns erhebt sich aus dem Wasser die kleine Insel Ailsa Craig. Ich muss vom Beifahrersitz aus hinschauen und schauen und schauen und plötzlich fällt mir ein. S T O P – das muss fotografiert werden! Das ist ein Moment der festgehalten werden will. Wir fahren kurz links ran und genießen das gleisende Licht das auf dem vulkanischen Fels ruht.

Ayrshire
Ailsa Craig

In Wirklichkeit erhebt er sich viel mächtiger aus dem Meer. Das lässt sich mit meiner iPhone Kamera leider nicht realistischer zeigen.

Eine halbe Stunde später kommen wir am Culzean Castle an. Die Öffnungszeiten haben wir verpasst. Über einen langen Zufahrtsweg fahren wir in das Gelände, das eine riesengroße Parkanlage inklusive Wald beherbergt. Der Parkplatz ist fast leer. Wider Erwarten können wir ungestört auch um diese Zeit noch im Hof und Park bis runter ans Meer spazieren gehen.

Immer noch flimmert das Licht. Schöner können wir uns das Schloß nicht vorstellen als um diese Stunde.

Weil der unfassbar große Landsitz inzwischen ein exklusives Boutiquehotel ist, kann der Park um das hochherrschaftliche Burgschloss auch außerhalb der Öffnungszeiten besucht werden. Das Klientel ist in dieser Gegend auf jeden Fall vorhanden. Ab Ayr sind entlang des Meeres zahlreiche Golfanlagen und luxuriöse Unterkünfte. Weshalb wir auch ein Problem haben, einen Campsite oder halbwegs vernünftigen Platz für die kommende Nacht zu finden. Nach 50 Meilen finden wir, inzwischen ziemlich müde vom langen Tag, einen Wegweiser der uns Hoffnung macht (am nächsten Morgen für euch abfotografiert).

Wegweiser zum Campingplatz

Als wir den Berg hochkurven ist uns klar, dass dies unser Stellplatz für die kommende Nacht wird, egal wie gut oder schlecht der Platz auch sein mag. Kurz vor dem Dunkelwerden und müde wie wir sind wollen wir einfach nur noch ankommen.

Wir haben wieder Glück 🙂

Der Platz ist schlicht und einfach und erfüllt alle unsere Bedürfnisse. Wir haben einen Ort um zu kochen, spülen, duschen, eine Toilette die wir mit niemand teilen müssen und viel Ruhe.

Exklusiver Stellplatz mit Blick aufs Meer

Glasgows Umgebung

Durch Glasgow sind wir nur durchgefahren. Wir sind schon mehrere Tage unterwegs und müssen abwägen was wir uns genauer ansehen. Die Überlegung war, Glasgow ist es wert, mehrere Tage dort zu verbringen. Nicht nur wenige Stunden. Deshalb soll Glasgow einmal eine eigene Reise sein. Wir fahren nonstop durch bis Falkirk. Erstes Ziel dort ist das Hightech-Schiffrad Falkirk Wheel. Um es kurz zu beschreiben werden mithilfe dieses riesigen Rades Schiffe vom Kanal oben in den Kanal unten befördert. Der Höhenunterschied beträgt 35 m und dank dieses Rades werden die beiden Kanäle miteinander verbunden. Wer an der Ingenieurskunst interessiert ist kann sich das im folgenden Youtube Film ansehen.

Falkirk Wheel

Die Kelpies

Noch eine weitere spektakuläre Sehenswürdigkeit hat Falkirk zu bieten. Die Kelpies. Die beiden ungefähr 30 Meter hohen Pferdeskulpturen im Helix Park sind schon von weitem zu sehen. Das eine bläht fürchterlich die Nüstern auf, das andere reckt den Kopf zum Himmel und scheint den zu nahe kommenden drohend entgegen zu wiehern. Kelpies haben in Schottland gleich mehrere Bedeutungen. In der keltischen Mythologie trifft man auf diese Wesen als Wassergeister, die die Form eines Pferdes annehmen können. Zugleich sind sie Symbol für die starken Pferde, die einst entlang der Kanäle auf Treidelpfaden schwere Lasten wie Kohlenschiffe und andere vollgeladene Kähne gezogen haben. Damit symbolisieren sie auch die Anfänge der Industrialisierung in dieser Gegend.

Kelpies im Helix Park

The original concept of mythical water horses was a valid starting point for the artistic development of the structures. I took that concept and moved with it towards a more equine and contemporary response, shifting from any mythological references towards a socio-historical monument intended to celebrate the horse’s role in industry and agriculture as well as the obvious association with the canals as tow horses

Andy Scott (Bildhauer)

Das interpretiere ich so, dass Scott mit seinem Konzept eine Verbindung aus Mythologie hin zu einem sozialgeschichtlichen Monument geschaffen hat. Die beiden Skulpturen machen die Rolle des Pferdes in der Industrie und Landwirtschaft deutlich. Das geht auch aus einer offensichtlichen Verbindung mit den Kanälen hervor, zwischen denen die Skulpturen aufgebaut sind.

Goodbye Kelpies

Weiter geht es entlang der schottischen Westküste in Richtung Oban.

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<Fortsetzung folgt>

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